Die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische. Eine Analyse und ein Vergleich anhand von fünf deutschen Romanen und deren niederländischen Übersetzungen. (Arno de Jonge)

 

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Zusammenfassung

 

Das Thema dieser Arbeit ist die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische. In Paragraph 1.1 des einleitenden Kapitels 1 werden zwei deutsche Textteile und ihre jeweiligen niederländischen Übersetzungen einander gegenübergestellt und daraus geht hervor, dass die Übersetzung dieser deutschen Konstruktionen ins Niederländische keine ausgemachte Sache ist: In manchen Fällen wird mit einer entsprechenden formalen Konstruktion übersetzt, in anderen Fällen wird aber eine abweichende Konstruktion gewählt. Daraus wird die Folgerung gezogen, dass hier von einem Übersetzungsproblem die Rede ist. Das Interesse des Autors für praktische Übersetzungsprobleme ist der wichtigste Grund, sich in dieser Arbeit mit dem konkreten Problem der Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische zu beschäftigen.

            In Bezug auf das Thema dieser Arbeit werden folgende Forschungsfragen formuliert, wobei in Klammern die Kapitel stehen, in denen sie beantwortet werden:

 

· Was sind deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen? (Kapitel 2)

· Wie werden deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt? (Kapitel 2)

·  Wie sieht das Tertium Comparationis aus, mit dessen Hilfe die Art und Weise, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, analysiert werden kann? (Kapitel 3 und 4)

· Können auf Grund  der Art und Weise, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, bestimmte Regelmäßigkeiten herausgefunden werden? (Kapitel 5)

· Welche Generalisierungen in Bezug auf die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische lassen sich aus der An- oder Abwesenheit von Regelmäßigkeiten ableiten? (Kapitel 5)

· Wie hat das Tertium Comparationis als Instrument für die Analyse der Art und Weise, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, funktioniert? (Kapitel 6)

 

Deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen sind unselbständige nähere Bestimmungen nominaler Satzgliedkerne, der so genannten Bezugswörter, die aus mindestens einem Partizip, dem Kern, bestehen, das durch zusätzliche Glieder erweitert werden kann. Als Kern dieser Konstruktionen können alle 1. Partizipien, 1. Partizipien transitiver Verben im Falle des Gerundivums, 2. Partizipien transitiver Verben, 2. Partizipien intransitiver Verben, die die vollendeten Zeitformen mit sein bilden und eine perfektive Bedeutung haben, und 2. Partizipien intransitiver Verben, die die vollendeten Zeitformen mit sein bilden, eine durative Bedeutung haben, aber durch den Kontext perfektiv geworden sind, auftreten. Ferner können diese Konstruktionen vor oder hinter dem Bezugswort stehen. Die genannten Unterscheidungen und Aspekte führen zu achtzehn unterschiedlichen Kategorien von Partizipialkonstruktionen. Da Partizipien Bindung an sowohl das Verb als auch das Adjektiv haben, ist es nicht immer einfach, festzustellen, ob in einem bestimmten Fall ein Partizip oder ein Adjektiv vorliegt. In Subparagraph 2.2.2 werden Kriterien zur Sprache gebracht, die, wenn nötig, zur Feststellung angewendet werden können.

            Im zweiten Teil des Kapitels 2 werden die konkreten deutschen attributiv gebrauchten Partizipialkonstruktionen und deren niederländische Entsprechungen präsentiert und einander gegenübergestellt. Der Autor beschränkt sich in dieser Arbeit aus praktischen Gründen auf eine einzige Textsorte, nämlich die literarische Gattung der Erzählung in Prosa, den Roman. Er hat sich für diese Textsorte entschieden, weil sie eine zentrale Rolle in der heutigen Literatur spielt und sich ein breites Leserpublikum durch Übersetzungen Zugang zu ihr verschafft. Als empirische Grundlage für die Untersuchung dieser Textsorte dienen fünf Romane, die in den 1990er veröffentlicht worden sind und alle in der deutschen Literaturkritik mehr als durchschnittliche Beachtung gefunden haben, und zwar: Flughunde von Marcel Beyer, Helden wie wir von Thomas Brussig, Finis Terrae. Ein Nachlaß von Raoul Schrott, 33 Augenblicke des Glücks. Aus den abenteuerlichen Aufzeichnungen der Deutschen in Piter von Ingo Schulze und Der Wettermacher von Peter Weber. Daneben gilt, dass sie von unterschiedlichen erfahrenen Übersetzern ins Niederländische übersetzt worden sind. Die Analyse in dieser Arbeit stützt auf insgesamt zweihundertsechzig deutsche Konstruktionen und deren niederländische Entsprechungen. Der Autor ist der Ansicht, dass zweihundertsechzig eine Zahl ist, die generalisierende Aussagen, insoweit Generalisierung überhaupt möglich ist, zulässt und dass er auf der Basis dieser fünf deutsch-niederländischen Romanpaare Generalisierungen formulieren kann, die ein relativ breites Spektrum einnehmen und heute zutreffen.

Um Generalisierungen in Bezug auf die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische formulieren zu können, müssen die deutschen Konstruktionen und deren niederländische Entsprechungen analysiert und miteinander verglichen werden. Für Original und Übersetzung gilt jedoch, dass sie nicht direkt miteinander verglichen werden können, sondern nur indirekt über ein Konstrukt, das aus Elementen besteht, die beide gemeinsam haben. Solch ein Konstrukt ist das ‚Tertium Comparationis‘ oder die ‚Invarianz des Vergleichs‘. Mit diesem Konstrukt kann bestimmt werden, ob von einer Verschiebung, worunter im allgemeinen Sinne Unterschiede zwischen Original und Übersetzung verstanden werden, die Rede ist oder nicht. Im Rahmen dieser Arbeit bedeutet das, dass ein Tertium Comparationis gefunden oder konstruiert werden muss, durch das Original und Übersetzung analysiert und miteinander verglichen werden können. In Kapitel 3 werden daher die theoretischen Betrachtungen über den Vergleich von Original und Übersetzung der Übersetzungswissenschaftler James Holmes, Gideon Toury und Kitty van Leuven-Zwart besprochen, kritisch durchleuchtet und daraus folgende Grundprinzipien für die tatsächliche Konstruktion des Tertium Comparationis hergeleitet:

 

- das Prinzip der Unabhängigkeit der Verzeichnis-im-Voraus-Methode;

- das Postulat der Äquivalenz;

- das Prinzip der praktischen Ausführbarkeit;

- das Prinzip der wirklichen Invarianz;

- das Prinzip der Relation als Basis für die Bestimmung der Eigenschaften;

- das Prinzip der vorangehenden Zuerkennung von Eigenschaften.

 

Auf Grund obiger Grundprinzipien wird in Kapitel 4 das Tertium Comparationis für die Analyse und den Vergleich der deutschen attributiv gebrauchten Partizipialkonstruktionen und deren niederländischer Entsprechungen konstruiert. Dem Grundprinzip der wirklichen Invarianz entspechend wird etwas gesucht, was die deutschen Konstruktionen und deren niederländische Entsprechungen gemeinsam besitzen. Das Gemeinsame wird im Konzept ‚Attribut‘ gefunden. Dieses Konzept ist auch im Einklang mit den anderen Grundprinzipien. Auf der Basis des Konzepts ‚Attribut‘ wird dann ein Tertium Comparationis konstruiert, das sich einerseits durch eine syntaktische Analyse und andererseits durch eine semantische Analyse kennzeichnet. Die syntaktische Analyse besteht aus den sechs Aspekten ‚Struktur‘, ‚Wortart des Attributs‘, ,Wortform des Attributs‘, ,Stellung‘, ,Auslassung‘ und ,Hinzufügung‘. Die semantische Analyse basiert auf das Konstrukt ‚Architransem‘ von van Leuven-Zwart und die unterschiedlichen semantischen Aspekte stammen von Albrecht Neubert: Konzept, Stil, Kollokation, Figuration, Konnotation und Grammatik. Die Ergebnisse der syntaktischen und der semantischen Analyse werden in zwei so genannten Datenkarten festgelegt. In einer dritten Datenkarte werden die festgestellten Verschiebungen, deren Belegstelle und deren Art wiedergegeben. Auf der Basis dieser drei Datenkarten wird ein Datenformular aufgestellt, das für jedes deutsch-niederländische Konstruktionspaar ausgefüllt wird.

In Kapitel 5 werden die Forschungsergebnisse, die aus den zweihundertsechzig ausgefüllten Datenformularen resultieren, in verschiedenen Tabellen dargestellt, analysiert und auf Regelmäßigkeiten untersucht. Daraus lassen sich in Bezug auf das Vorkommen, die Art und den Charakter der Verschiebungen, vierzig Generalisierungen ableiten. Die allgemeine Schlussfolgerung lautet, dass es keine spezifischen Übersetzungsstrategien für die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische gibt: Keine einzige bestimmte deutsche Konstruktion wird auf eine bestimmte Art und Weise ins Niederländische übersetzt. Stattdessen treten mögliche Lösungen zutage. Den Generalisierungen sind, mit anderen Worten, keine Patentlösungen zu entnehmen, sondern sie verschaffen dem Übersetzer Einblick in die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische und bieten Handreichungen, aus denen er seinen Vorteil ziehen kann. Der Wert, der die Forschungsergebnisse für jeden einzelnen Übersetzer hat, wird demnach von Übersetzer zu Übersetzer verschieden sein.

            Neben den Forschungsergebnissen dieser Arbeit ist da noch die Vergleichsmethode an sich, die Beachtung verdient. Hinsichtlich der praktischen Anwendbarkeit des Tertium Comparationis in dieser Arbeit wird bemerkt, dass:

 

- deutliche Anleitungen für die Ausfüllung der Datenformulare 1 und 2 erforderlich sind;

- der Benutzer ein bestimmtes Maß an Anwendungsfreiheit hat;

- der syntaktische Aspekt ‚Wortart des Attributs‘ ausgelassen werden kann;

- der syntaktische Aspekt ‚Stellung der Konstruktionsglieder‘ hinzugefügt werden könnte;

- die Formulierung des Architransems eine problematische und heikle Sache sein kann und demnach den größten Sorgfalt erfordert;

- der Kontext oberhalb des Satzes bei der Formulierung des Architransems eine Rolle spielen kann;

- die syntaktische und semantische Analyse sich gegenseitig beeinflussen;

- im Architransem die künstliche Lösung mit Klammern verwendet wird, wenn Elemente, die mit der Grundbedeutung an sich eigentlich nichts zu tun haben, für den Vergleich des (der) deutschen und des (der) niederländischen Attributs (Konstruktion) durch das Architransem erforderlich sind;

- bei der Analyse und dem Vergleich der deutsch-niederländischen Konstruktionspaare die deutschen attributiv gebrauchten Partizipialkonstruktionen und deren niederländische Entsprechungen gleich wichtig sind.

 

Der Autor behauptet, dass über die Analyse und den Vergleich deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen und deren niederländischer Entsprechungen in deutsch-niederländischen Romanpaaren hinaus das in dieser Arbeit konstruierte Tertium Comparationis auch auf andere Konstruktionen und Sprachenpaare angewendet werden kann. Daneben sieht er noch mindestens zwei weitere praktische Anwendungsmöglichkeiten. Erstens kann das Tertium Comparationis im Übersetzungsunterricht als Instrument für die Beurteilung von Studenten angefertigter Übersetzungen verwendet werden. Zweitens kann ein Übersetzer damit eine deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktion, auf die er in einem Text stößt und von der er nicht weiß, wie er sie ins Niederländische übersetzen soll, und mögliche niederländische Übersetzungen analysieren und miteinander vergleichen, bis er eine befriedigende Lösung gefunden hat. In Bezug auf die theoretischen Grundlagen des Tertium Comparationis ist der Autor der Meinung, dass das übergreifende Konstrukt des Konzepts und das Konstrukt des Architransems als theoretische Anhaltspunkte für die Analyse und den Vergleich makrostruktureller Elemente dienen können. Er spricht absichtlich über ‚Anhaltspunkte‘, denn bei der praktischen Ausarbeitung sind viele Schwierigkeiten zu erwarten.

 

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