Die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische. Eine Analyse und ein Vergleich anhand von fünf deutschen Romanen und deren niederländischen Übersetzungen. (Arno de Jonge)

 

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1 Im Vergleich zu Original und Übersetzung

 

1.1 Wie es praktisch anfängt

 

Teleki fand im Expeditionsbericht nur insofern Erwähnung, daß über jedes einzelne von ihm geschossene Wild Tag für Tag Buch geführt wurde, nebst Telekis ausführlich wiedergegebenen Instruktionen, wie man Elefanten zu zerlegen habe, dort nämlich, wo der Rüssel aus dem Schädelknochen austrat, der Rüssel, das war eine Anspielung, die nach der gelungenen Indiskretion eines nie erstatteten Rapports jeder Eingeweihte verstand, eine Bloßstellung, erniedrigender als jede Rüge, weil sie Tagesgespräch wurde.[1]

 

Dieses Zitat stammt aus dem Roman Finis Terrae. Ein Nachlaß des österreichischen Autors Raoul Schrott. Auffallend daran sind die vielen Partizipien, nämlich geschossene, geführt, wiedergegebenen, gelungenen und erstatteten. Während geführt der infinite, verbale Teil des mehrteiligen Prädikats geführt wurde bildet, werden die übrigen Partizipien im Zitat attributiv gebraucht: Sie sind unselbständige nähere Bestimmungen der jeweiligen nominalen Satzgliedkerne Wild, Instruktionen, Indiskretion und Rapports. Mit anderen, einfacheren Worten, sie verhalten sich zu den Substantiven wie Adjektive. Wir lassen den deutschen Textteil mal kurz in Ruhe und machen mit folgendem Zitat weiter:

 

Teleki werd in het expeditieverslag alleen in zoverre vermeld, dat over al het door hem geschoten wild dag voor dag boek werd gehouden, alsmede Telekis’ uitvoerig weergegeven instructies hoe olifanten geschoten dienden te worden, namelijk daar waar de slurf uit het schedelbot naar buiten kwam, de slurf, dat was een zinspeling die iedere ingewijde volgens de geslaagde indiscretie van een nooit geopenbaard rapport begreep, een onthulling, vernederender dan elke berisping, omdat hij het gesprek van de dag werd.[2]

 

Es wird dem Leser höchstwahrscheinlich nicht sehr schwer fallen, in diesem Zitat eine niederländische Übersetzung des oben stehenden deutschen Originals zu erkennen. Dem Zitat kann entnommen werden, dass die deutschen Partizipien geschossene, wiedergegebenen, gelungenen und erstatteten bei der Übersetzung ins Niederländische jeweils folgende Entsprechungen bekommen haben: geschoten, weergegeven, geslaagde und geopenbaard. Die attributiv gebrauchten Partizipien aus dem deutschen Original sind also auch ins Niederländische durch attributiv gebrauchte Partizipien übersetzt worden. Zufall oder das gängige Übersetzungsverfahren für die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipien ins Niederländische? Betrachten wir ein zweites Beispiel.

In dem Roman 33 Augenblicke des Glücks des deutschen Autors Ingo Schulze kehrt in einer der Geschichten der Ich-Erzähler nachts nach einer wegen eines verheerenden Unwetters total misslungenen Jagdpartie wieder nach Hause zurück :

 

Zuerst vermißte ich die Spiegelung des Mondlichtes in den Scheiben. Sie waren zerbrochen. Die Läden fehlten oder hingen herab. Die Tür war eingedrückt. Ich fühlte das Moos unter meinen Händen. Durch den Dachstuhl sah ich die Sterne. Ich glaubte, an ein im Krieg verlassenes Haus geraten zu sein. Aber hier waren die fünf Stufen, die geschnitzten Blumenkästen. Gegen diesen Pfosten hatte sich Natalja gelehnt und zum Abschied gelacht. Der Bach war zu einem Rinnsal geworden, das die früheren Ufer wie Bergzüge umgaben.[3]

 

In diesem Textteil kommen zwei attributiv gebrauchte Partizipien vor, und zwar verlassenes im Satzglied an ein im Krieg verlassenes Haus im siebten Satz und geschnitzten im Satzglied die geschnitzten Blumenkästen im achten Satz. Die Frage lautet nun selbstverständlich, wie die beiden deutschen Partizipien ins Niederländische übersetzt worden sind. Die Antwort steht in folgendem Zitat:

 

Eerst miste ik de weerspiegeling van het maanlicht in de ruiten. Die waren gebroken. De luiken ontbraken of hingen half los. De deur was ingetrapt. Ik voelde het mos onder mijn handen. Door de dakbalken heen zag ik de sterren. Ik had het gevoel dat ik bij een huis was aangekomen dat tijdens de oorlog verlaten was. Maar hier waren de vijf treetjes, de bloembakken met hun houtsnijwerk. Tegen die paal daar had Natalja geleund, en gelachen toen we afscheid namen. De beek was veranderd in een smal stroompje, door de vroegere oevers als door bergen omgeven.[4]

 

Wenn wir die Übersetzung mit dem Original vergleichen, sehen wir, dass das Satzglied an ein im Krieg verlassenes Haus im Niederländischen bij een huis (...) dat tijdens de oorlog verlaten was geworden ist. Aus dem Vergleich kann abgeleitet werden, dass die attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktion im Krieg verlassenes – d.h. ein Partizip, das durch andere Satzglieder erweitert ist, in diesem Fall das Partizip verlassenes durch das temporale Adverbiale im Krieg – im niederländischen Text durch den nachgestellten Relativsatz dat tijdens de oorlog verlaten was wiedergegeben wird. Die syntaktische Form des Attributs hat sich also grundsätzlich geändert. Die Übersetzung des anderen deutschen Partizips, nämlich geschnitzten im Satzglied die geschnitzten Blumenkästen durch met hun houtsnijwerk im Satzglied de bloembakken met hun houtsnijwerk, zeigt nicht nur die Veränderung eines vorangestellten Attributs in ein nachgestelltes, sondern auch die einer verbalen Konstruktion in eine nominale. Im niederländischen Satz ist demnach gar nicht wiederzuerkennen, dass das Attribut zu de bloembakken im deutschen Original eine verbale Form hatte.

Aus dem obigen Vergleich der beiden deutschen Textteile mit ihren jeweiligen niederländischen Übersetzungen schließe ich in Bezug auf die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipien ins Niederländische, dass offenbar nicht immer eine formale Eins-zu-eins-Entsprechung zwischen dem Deutschen und dem Niederländischen besteht: Ein attributiv gebrauchtes deutsches Partizip wird ins Niederländische nicht automatisch durch ein entsprechendes attributiv gebrauchtes Partizip übersetzt. Die Beispiele zeigen, dass in manchen Fällen mit einer entsprechenden formalen Konstruktion übersetzt wird, in anderen Fällen aber eine abweichende Konstruktion gewählt wird. Da die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipien ins Niederländische also offensichtlich keine ausgemachte Sache ist, kann ohne Zweifel behauptet werden, dass wir es hier mit einem Übersetzungsproblem zu tun haben. Ein Übersetzungsproblem, das im Wesentlichen folgende drei Fragen beinhaltet:

 

· Wie werden deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt?

· Können auf Grund der Art und Weise, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, bestimmte Regelmäßigkeiten herausgefunden werden?

· Welche Generalisierungen in Bezug auf die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische lassen sich aus der An- oder Abwesenheit von Regelmäßigkeiten ableiten?

 

Diese drei konkreten Fragen nun bilden den roten Faden dieser Arbeit. Ich interessiere mich für praktische Probleme und das vorliegende Übersetzungsproblem ist ein typisches Beispiel dafür. Übersetzungswissenschaftlern wird oft vorgeworfen, dass sie durch das Streben nach Wissenschaftlichkeit, nach einem akademischen Status der Übersetzungsforschung das Verständnis von und den Anschluss an die Übersetzungspraxis verlieren würden, wodurch sich die Leute aus der Praxis, die Übersetzer, von der Übersetzungsforschung abwenden und ein hohes Maß an ‚Theoriefeindlichkeit‘ entwickeln würden. Ich will mich nicht darüber äußern, inwiefern dieser Vorwurf zutrifft. Auf jeden Fall ist die Ausrichtung auf die Übersetzungspraxis für mich der wichtigste Grund, mich in dieser Arbeit mit dem konkreten Problem der Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische zu beschäftigen. Obwohl bisher fast immer von Partizipien die Rede war, verwende ich absichtlich den Terminus ‚Partizipialkonstruktionen‘. Die oben stehenden Beispiele zeigen nämlich, dass attributiv gebrauchte Partizipien sowohl einzeln (gelungenen, geschnitzten) als auch in Kombination mit von ihnen abhängigen Satzgliedern (von ihm geschossene, ausführlich wiedergegebenen, nie erstatteten, im Krieg verlassenes) vorkommen. Unter Partizipialkonstruktionen werden also Konstruktionen verstanden, die aus mindestens einem Partizip bestehen, das durch zusätzliche Glieder erweitert werden kann.

 

 

1.2 Wie es theoretisch Form annimmt

 

Im vorigen Paragraphen habe ich angegeben, dass die drei formulierten konkreten Fragen „den roten Faden dieser Arbeit“ bilden. Alle Fäden, die in dieser Arbeit gesponnen werden, entspringen denn auch diesen Fragen, deren Beantwortung selbstverständlich das angestrebte Ziel ist. In Hinsicht auf dieses Ziel müssen deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen mit ihren niederländischen Entsprechungen oder Äquivalenten verglichen werden und damit ist entsprechend der Unterteilung, die der Übersetzungswissenschaftler und Übersetzer James Holmes 1972 in seinem Artikel The Name and Nature of Translation Studies in Bezug auf das Fachgebiet der Übersetzungswissenschaft skizziert hat, der Forschungsbereich dieser Arbeit das Gebiet der deskriptiven Übersetzungswissenschaft, insbesondere das innerhalb der deskriptiven Übersetzungswissenschaft von Holmes unterschiedene Teilgebiet der produktorientierten Forschung. Dieses Teilgebiet, „that area of research which describes existing translations“, richtet sich auf die Beschreibung der spezifischen Merkmale und Eigenschaften von Übersetzungen und setzt sich zum Ziel, Übersetzungsnormen und Übersetzungsstrategien herauszufinden, die z.B. auf eine bestimmte Periode, eine bestimmte Sprache oder ein bestimmtes Genre anwendbar sind (Holmes 1988: 72). Dies entspricht genau dem, was ich mit dieser Arbeit vorhabe, nämlich Generalisierungen in Bezug auf die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische zu formulieren. In an die Fragen aus dem vorigen Paragraphen anschließenden Worten heißt das, dass eventuell vorkommende Regelmäßigkeiten aufgespürt und Generalisierungen daraus, insofern das natürlich möglich ist, abgeleitet werden. Im Rahmen der genannten Zielsetzungen spielt der Vergleich von Original und Übersetzung demnach eine zentrale Rolle.

Im Allgemeinen kann man sagen, dass in einem Vergleich zwei oder mehrere Einheiten prüfend nebeneinander gehalten werden, um Unterschiede oder Übereinstimmungen festzustellen. In dieser Arbeit betrifft es die Einheiten ‚Original‘ (‚Ausgangstext‘) und ‚Übersetzung‘ (‚Zieltext‘), wobei sich der Vergleich nicht auf ganze Texte oder Textteile, sondern ausdrücklich auf bestimmte Elemente aus dem Original – nämlich attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen – bezieht. Neben den beiden genannten Einheiten ist, meiner Ansicht nach, noch eine andere Einheit zu unterscheiden, und zwar die Einheit ‚Tertium Comparationis‘ oder ‚Invarianz des Vergleichs‘. Bei einem Tertium Comparationis handelt es sich um das dritte Glied eines Vergleichs, in dem zwei verschiedene Gegenstände oder Sachverhalte übereinstimmen; ein Tertium Comparationis besteht mithin aus Elementen, die beide Glieder gemeinsam besitzen und deswegen als ‚invariant‘ betrachtet werden können. Wenn man also zwei Gegenstände oder Sachverhalte miteinander vergleicht, werden beide nicht direkt miteinander konfrontiert, sondern geschieht dies indirekt mit Hilfe eines Tertium Comparationis. Ich werde dies anhand folgendes Beispiel erläutern. Der Ausdruck ‚Äpfel mit Birnen addieren‘ hat in der Umgangssprache die Bedeutung, dass Unvereinbares zusammengebracht wird. Oder anders gesagt, dass zwei Sachen nicht ohne weiteres – d.h. direkt – miteinander verglichen werden können. Ein Vergleich ist durchaus möglich, allerdings nur indirekt über ein Tertium Comparationis, also über ein oder mehrere Elemente, die beide Sachen gemeinsam haben. Im Falle von Äpfeln und Birnen könnte man an Tertia Comparationis wie ‚Form‘, ‚Farbe‘, ‚Vitamingehalt‘, ‚Haltbarkeit‘ usw. denken. Genau dieser Punkt ist es, der auch auf den Vergleich von Original und Übersetzung zutrifft: Sie können nicht direkt miteinander verglichen werden, sondern eine Analyse ist nur durch ein Tertium Comparationis möglich. In Bezug auf diese Arbeit bedeutet das konkret, dass ein Tertium Comparationis gefunden oder konstruiert werden muss, durch das Original und Übersetzung analysiert und miteinander verglichen werden können. Infolgedessen muss den drei Fragen aus dem vorigen Paragraphen noch eine hinzugefügt werden, nämlich:

· Wie sieht das Tertium Comparationis aus, mit dessen Hilfe die Art und Weise, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, analysiert werden kann?

 

In welcher Reihenfolge die Fragen in dieser Arbeit genau behandelt werden, werden wir in Paragraph 1.3 sehen.

Meiner Darlegung des Tertium Comparationis im vorigen Absatz möchte ich noch eine zweite Überlegung hinzufügen. Meiner Meinung nach ist eine Übersetzung auf der einen Seite ein abgeleiteter Text, dessen Ursprung in einem anderen Text liegt. Auf der anderen Seite ist sie ein Text, der in der eigenen sozial-kulturellen Umgebung, wie alle anderen Texte in dieser Umgebung, die Funktion eines selbständigen Textes erfüllt. Anders gesagt, Übersetzen hat nicht nur mit Sprache, Sprachsystemen und Umsetzung aus einer Sprache in die andere zu tun, sondern beschäftigt sich auch mit Sprachäußerungen, die in einem bestimmten sprachlichen, kulturellen, sozialen und literarischen Kontext getan werden. Der Kontext der Übersetzung unterscheidet sich, mit anderen Worten, in mehrerem oder geringerem Maße vom Kontext des Originals, was leicht dazu führen könnte, dass die Unterschiede zwischen Original und Übersetzung recht groß sind. Ein direkter Vergleich wäre vor diesem Hintergrund ein echter Fehlgriff. Der Doppelstatus einer Übersetzung ist demnach ein weiterer Grund dafür, beim Vergleichen von Original und Übersetzung ein zutreffendes Tertium Comparationis zu verwenden.

Ein letzter Punkt hinsichtlich des Tertium Comparationis lautet, dass der Doppelstatus einer Übersetzung beinhaltet, dass man nicht einfach das Original als Ausgangspunkt für den Vergleich nehmen kann; man fragt sich also nicht, ob bestimmte Merkmale des Originals in der Übersetzung reproduziert werden, ob eine bestimmte Übersetzung äquivalent zum Original ist. Ein Vergleich auf dieser Basis würde nämlich dazu führen, dass man aufgrund der herausgefundenen Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen Original und Übersetzung ein normatives Urteil über die Qualität der Übersetzung abgibt. Diskrepanzen zwischen Original und Übersetzung würden bei einem solchen Vergleich als Fehler betrachtet werden. So ist diese Arbeit allerdings nicht gedacht. Stattdessen will ich beim Vergleich von Original und Übersetzung herausfinden, welche Relationen zwischen den beiden Einheiten bestehen. Mit anderen Worten, welche ist die Art der Übereinstimmungen und Unterschiede? Diese Sichtweise geht auf die Ideen von Übersetzungswissenschaftlern wie Gideon Toury und dem oben zitierten James Holmes zurück (Leuven-Zwart 1992: 70). Sie haben seit der Mitte der 1970er Jahre dazu beigetragen, dass der Standpunkt, dass es bei produktorientierten Übersetzungsforschungen nicht darum geht, ob eine Übersetzung dem Original entspricht, sondern auf welche Weise das der Fall ist, Anklang gefunden hat. Sehr wichtig in diesem Zusammenhang ist der theoretische Begriff ‚equivalence postulate‘ (‚Postulat der Äquivalenz‘), den Toury vorgeschlagen hat: Wenn man die Relationen zwischen Übersetzungen und ihren Originaltexten untersucht, fragt man sich nicht, ob es die Rede von Äquivalenz ist, sondern man geht davon aus, dass sie per definitionem zutrifft (Toury 1980: 37 ff.). Dieses Postulat der Äquivalenz bildet die theoretische Grundlage, auf der ich ein für den Zweck dieser Arbeit geeignetes Tertium Comparationis konstruieren und mir somit eine Übersicht über die Äquivalenzrelationen zwischen Original und Übersetzung verschaffen will. Zu allem Überfluss, wie der Leser hoffentlich verstehen wird, bemerke ich, dass ‚Äquivalenz‘ hier also keine Norm ist, die eine Übersetzung erfüllen soll, sondern einen deskriptiven Begriff darstellt, der sich auf reale Relationen zwischen realen Textelementen in zwei unterschiedlichen Sprachen bezieht (Toury 1980: 39; Koster 2000: 27).

Resümierend: Im Vorhergehenden haben wir festgestellt, dass das Original, die Übersetzung und das Tertium Comparationis die drei Einheiten des Vergleichs sind, und dass das Tertium Comparationis innerhalb dieser Gruppe als Hilfsmittel dient, um Original und Übersetzung zu analysieren und miteinander zu vergleichen. Die Übersetzungswissenschaftlerin Kitty van Leuven-Zwart behauptet, Voraussetzung für die theoriebildende Forschung des Übersetzungsproduktes sei die Entwicklung wissenschaftlich vertretbarer Methoden, mit deren Hilfe die Relation zwischen einer Übersetzung und ihrem Ausgangstext beschrieben werden könne (Leuven-Zwart 1992: 71). Mit ‚wissenschaftlich vertretbar‘ meint sie, dass die Methoden intersubjektiv, kontrollierbar und deskriptiv sind: Sie müssen von anderen Wissenschaftlern auf andere Texte übertragen werden können, die Forschungsergebnisse müssen zu kontrollieren sein und die Methode darf kein Werturteil über eine Übersetzung abgeben. Beim Konstruieren des Tertium Comparationis, mit dessen Hilfe die Art und Weise, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, analysiert werden kann, werde ich mich nach diesen drei wissenschaftlichen Kriterien richten. Als Ausganspunkt dafür werde ich die wissenschaftliche Arbeit der Übersetzungswissenschaftler Holmes, Toury und van Leuven-Zwart nehmen. Alle drei haben sie sich in ihrem Werk nämlich mit dem Thema des Vergleichs von Original und Übersetzung beschäftigt und auf Grund bestimmter theoretischer Prinzipien Methoden für die Beschreibung des Übersetzungsprodukts entwickelt, die sowohl deskriptiv als auch intersubjektiv sind. Ich hoffe und erwarte ihrer wissenschaftlichen Arbeit die theoretischen und/oder praktischen Bausteine für das von mir zu konstruierende Tertium Comparationis zu entlehnen. Da dieses Tertium Comparationis eine so zentrale und wichtige Rolle beim Analysieren und Vergleichen von Original und Übersetzung spielt und eigentlich entscheidend ist für die Antworten auf die praktischen Fragen aus dem vorigen Paragraphen – also entscheidend ist für die Forschungsergebnisse dieser Arbeit –, bin ich sehr gespannt auf dessen Wirkung. Deswegen formuliere ich zum Schluss dieses Paragraphen noch eine weitere Frage:

 

· Wie hat das Tertium Comparationis als Instrument für die Analyse der Art und Weise, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, funktioniert?

 

 

1.3 Wie es insgesamt weitergeht

 

In Paragraph 1.1 habe ich anhand zweier Romane einige Beispiele deutscher attributiv gebrauchter Partizipien und Partizipialkonstruktionen gegeben. Dabei habe ich kurz erwähnt, was das sind. Im Übrigen habe ich der Frage nach der Beschaffenheit deutscher attributiv gebrauchter Partizipien und Partizipialkonstruktionen keine Beachtung geschenkt. Ich bin darüber einfach hinweggegangen und das ist auch gar kein Problem, wenn es nur einführende Worte betrifft. Deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen bilden jedoch den Ausgangspunkt dieser Arbeit und es ist deswegen notwendig, deren Beschaffenheit zu kennen. Die schon formulierten Fragen können nicht beantwortet werden, sinnvolle Aussagen sind nicht möglich, bevor genau feststeht, was deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen sind. Infolgedessen muss zuerst folgende Frage beantwortet werden:

 

· Was sind deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen?

 

Die Beantwortung dieser Frage findet in Kapitel 2 statt. Daneben wird in diesem Kapitel auch die Frage, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, an die Reihe kommen. Deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen und deren niederländische Entsprechungen bilden die beiden Forschungsobjekte dieser Arbeit und es spricht denn auch für sich, dass nach der Besprechung der deutschen Konstruktionen die niederländischen Äquivalente zur Sprache gebracht werden. Erst dann kann nämlich ein Tertium Comparationis konstruiert werden, das mit Recht diesen Namen trägt, weil es sich wirklich auf beide Forschungsobjekte gründet. In dem Sinne strebe ich ein Tertium Comparationis an, das weder ausgangstextorientiert noch zieltextorientiert ist. Ich verwende absichtlich das Verb ‚anstreben‘, denn, wie man es auch nimmt, die deutschen attributiv gebrauchten Partizipialkonstruktionen bilden den Ausgangspunkt. Inwiefern dies das angestrebte Ziel beeinflussen wird, wird sich bei der Konstruierung des Tertium Comparationis in Kapitel 4 herausstellen. Bevor jedoch mit dessen Konstruierung angefangen wird, folgt in Kapitel 3 erst die theoretische Besprechung der wissenschaftlichen Arbeit von Holmes, Toury und van Leuven-Zwart auf dem Gebiet des Vergleichs von Original und Übersetzung. Nachdem das Tertium Comparationis aus theoretischer und praktischer Sicht besprochen worden ist, findet in Kapitel 5 die tatsächliche Analyse der Art und Weise, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, statt und werden auf Grund dieser Analyse mögliche Regelmäßigkeiten aufgespürt und eventuell Generalisierungen formuliert. Die Evaluierung der praktischen Anwendbarkeit des Tertium Comparationis – d.h. die Frage, wie das Tertium Comparationis als Instrument für die Art und Weise, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, funktioniert hat – ist das Thema von Kapitel 6. Zum Schluss folgen in Kapitel 7 einige nachträgliche Betrachtungen. Schematisch sieht die Verteilung der in dieser Arbeit zu beantwortenden Fragen auf den einzelnen Kapiteln folgendermaßen aus:

 

Kapitel 2:

· Was sind deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen?

· Wie werden deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt?

Kapitel 3 und 4:

· Wie sieht das Tertium Comparationis aus, mit dessen Hilfe die Art und Weise, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, analysiert werden kann?

Kapitel 5:

· Können auf Grund der Art und Weise, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, bestimmte Regelmäßigkeiten herausgefunden werden?

· Welche Generalisierungen in Bezug auf die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische lassen sich aus der An- oder Abwesenheit von Regelmäßigkeiten ableiten?

Kapitel 6:

· Wie hat das Tertium Comparationis als Instrument für die Analyse der Art und Weise, wie deutsche attributiv gebrauchte Partizipialkonstruktionen ins Niederländische übersetzt werden, funktioniert?

 

Bevor wir zu Kapitel 2 hinüberwechseln, gibt es jedoch einen Punkt, auf den ich in diesem Paragraphen absolut noch eingehen muss, und zwar den Punkt der Textsorte. Sprache verwirklicht sich in konkreten Texten, wie z.B. Zeitungsartikeln, Rundfunkmeldungen, notariellen Schriftstücken, Predigten, Gesprächen, wissenschaftichen Vorträgen, Novellen, Schulaufsätzen, Wahlreden, Kochrezepten. Es bestehen also viele unterschiedliche Textsorten, die alle ihre eigenen Merkmale besitzen. Auch Übersetzungen unterschiedlicher Textsorten werden sich demnach in ihrer Beschaffenheit voneinander unterscheiden. In Bezug auf die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische bedeutet dies konkret, dass z.B. die Analyse im Falle eines Kochrezepts höchstwahrscheinlich zu anderen Ergebnissen führt als die Analyse im Falle einer Novelle. Wenn man also die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische nicht nur innerhalb einer bestimmten Textsorte untersuchen will, sondern auch zwischen unterschiedlichen Textsorten untereinander, wird die Untersuchung sowohl im theoretischen als auch im praktischen Sinne erheblich komplizierter. Eine derartige Untersuchung liegt hinsichtlich dieser Arbeit allerdings nicht im Rahmen des Möglichen. Deswegen beschränke ich mich in dieser Arbeit auf eine einzige Textsorte, und zwar die literarische Gattung der Erzählung in Prosa, den Roman. Ich habe mich für die Textsorte des Romans entschieden, weil sie eine zentrale Rolle in der heutigen Literatur spielt und sich ein breites Leserpublikum durch Übersetzungen Zugang zu ihr verschafft. Die große Bedeutung der Romanübersetzung kommt einerseits zum Ausdruck in der langen Tradition, die sie hat, andererseits durch den allgemein zugänglichen Überfluss an Übersetzungen. Der Roman bildet somit eine dankbare Quelle des Forschungsmaterials, die ich auf der Suche nach deutschen attributiv gebrauchten Partizipialkonstruktionen heranziehen werde.

Die ungeheuer große Zahl der Romanübersetzungen macht eine Auswahl allerdings alles andere als eine leichte Aufgabe. Letztendlich habe ich fünf Romane ausgewählt, für die gilt, dass sie:

 

· relativ jüngeren Datums sind;

· in der deutschen Literaturkritik mehr als durchschnittliche Beachtung gefunden haben;

· von unterschiedlichen Autoren, die einer neuen Generation angehören und der früheren BRD, der ehemaligen DDR, Österreich und der Schweiz entstammen, verfasst worden sind;

· von unterschiedlichen erfahrenen Übersetzern ins Niederländische übersetzt worden sind.

 

Es handelt sich dabei um folgende Autoren, Romane und Übersetzer:

· Marcel Beyer: Flughunde. Erstausgabe 1995. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Von Wil Hansen unter dem Titel Vliegende honden ins Niederländische übersetzt worden. Erstausgabe 1997. Amsterdam: Meulenhoff;

· Thomas Brüssig: Helden wie wir. Erstausgabe 1995. Berlin: Verlag Volk und Welt. Von Wil Boesten unter dem Titel Helden zoals wij ins Niederländische übersetzt worden. Erstausgabe 1997. Baarn: de Prom;

· Raoul Schrott: Finis Terrae. Ein Nachlaß. Erstausgabe 1995. Innsbruck: Haymon. Von Ronald Jonkers unter dem Titel Finis Terrae. Een nalatenschap ins Niederländische übersetzt worden. Erstausgabe 1997. Breda: De Geus;

· Ingo Schulze: 33 Augenblicke des Glücks. Aus den abenteuerlichen Aufzeichnungen der Deutschen in Piter. Erstausgabe 1995. Berlin: Berlin Verlag. Von Tinke Davids unter dem Titel 33 ogenblikken van geluk. Avontuurlijke notities uit Sint-Petersburg ins Niederländische übersetzt worden. Erstausgabe 1997. Amsterdam: Van Gennep;

· Peter Weber: Der Wettermacher. Erstausgabe 1993. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Von Gerda Meijerink unter dem Titel De weermaker ins Niederländische übersetzt worden. Erstausgabe 1995. Amsterdam: Arena.

 

Der Literaturkritiker Thomas Kraft schreibt in der Einleitung der von ihm herausgegebenen Anthologie Aufgerissen. Zur Literatur der 90er:

 

So ist diese Auswahl [worunter oben stehende Autoren und Romane, AdJ] entstanden, keine ‚Best of‘-Liste, aber doch eine Übersicht, ein Aufriß über wichtige, vor allem auch von jungen Menschen geschriebene Literatur der neunziger Jahre, die die Szene deutlich belebt hat und die, so darf man vermuten, das Interesse der Leser an deutschsprachiger Literatur über den Moment hinaus wachhalten wird.[5]

 

Dieses Zitat, und insbesondere der Satzteil „wichtige, vor allem auch von jungen Menschen geschriebene Literatur der neunziger Jahre, die die Szene deutlich belebt hat“ gibt eigentlich kurz und bündig den Grund wieder, durch den ich beschlossen habe, mich in den oben genannten Romanen auf die Suche nach attributiv gebrauchten Partizipialkonstruktionen zu machen. Anhand von obigen fünf deutsch-niederländischen Romanpaaren nun will ich in Bezug auf die Übersetzung deutscher attributiv gebrauchter Partizipialkonstruktionen ins Niederländische Generalisierungen fomulieren, die ein relativ breites Spektrum einnehmen und heute zutreffen. Meiner Meinung nach erfüllt die Auswahl dieser fünf Romanpaare die Bedingungen dafür.

 

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[1] Schrott, Raoul (1999): Finis Terrae. Ein Nachlaß. 2. Auflage. München: Deutscher Taschenbuch Verlag,

S. 181.

[2] Schrott, Raoul (1997): Finis Terrae. Een nalatenschap. Vertaald door Ronald Jonkers. Breda: De Geus, S. 161.

[3] Schulze, Ingo (2001): 33 Augenblicke des Glücks. Aus den abenteuerlichen Aufzeichnungen der Deutschen in Piter. 6. Auflage. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 54.

[4] Schulze, Ingo (1997): 33 ogenblikken van geluk. Avontuurlijke notities uit Sint-Petersburg. Vertaald door Tinke Davids. Amsterdam: Van Gennep, S. 51.

[5] Kraft, Thomas (Hg.) (2000): Aufgerissen. Zur Literatur der 90er. München: Piper, S. 21-22.

6 Weber, Peter (1996): Der Wettermacher. 1. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 11.