Robert Musils Die Versuchung der stillen Veronika – Ein interpretatorischer Versuch. (Tamar Stooker)

 

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Vorwort

 

Lange habe ich gezögert, ob ich für meine Abschlussarbeit es wirklich wage, einen Musil-Text als Forschungsobjekt zu wählen. In einem Musil-Kolleg von Dr. Jattie Enklaar hatte ich schon erfahren, dass bei aller Faszination es mit der Interpretation Musilscher Texte so seine eigene Bewandtnis hat. Viele sich anscheinend sogar ausschließende Interpretationen bewirkten eine Unsicherheit beim Leser, die oft wieder als Texteigenes auf den Text zurückgeführt werden konnte. Schließlich habe ich mich doch entschlossen, zu versuchen, die Analyse der Novelle Die Versuchung der stillen Veronika unter die Feder zu kriegen. Diese Erzählung wurde während des Musil-Kurses nicht behandelt. Es war für mich eine Herausforderung zu sehen, ob ich – gestützt und nicht verscheucht von meinen Erfahrungen mit Musil-Texten – im stande sei, den Text zu analysieren und zu einem befriedigenden Ergebnis angesichts der Verifizierbarkeit des Textes zu gelangen, d.h. ob ich auf eigene Faust in einer Auseinandersetzung mit dem Text zu einer überzeugenden Interpretation fähig sein würde. Die Versuchung der stillen Veronika ist ein schwieriger, hermetischer Text. In der Forschung gibt es sehr wenige Interpretationen dieses Textes. Mein Anliegen war es, ohne Hilfe der Sekundärliteratur sich ein Bild des Textes zu schaffen, dann eine Interpretation aufs Papier zu bringen, um dann in der letzten Phase der Arbeit, die wenigen Texte heranzuziehen, die in der Forschung etwas gründlicher auf diese Novelle eingehen und zum Schluss meine Interpretation mit ihnen zu vergleichen. Wie eine Art von Konklusion sollte dann im letzten Teil meiner Arbeit meine Interpretation es gegen die anderen aufnehmen. Zu meinem Erstaunen sollte sich herausstellen, dass meine Interpretationen trotz Hindernisse, Zweifel und schwer zu Erklärendem, während der Zeit ihrer Verfassung ein Ergebnis zu erkennen gab, das nicht nur mit der Interpretation Anderer übereinstimmt, sondern das an mancher Stelle nuancierter wirkt. Andererseits stellte sich heraus, dass dasjenige, das von mir als Unklarheit signalisiert wurde, durch konkrete Information (z.B. dass es sich hier um eine Erzählung handelt, die eine “Vorgeschichte” vermuten lässt) bestätigt und erklärt wurde (vgl, Corino/Kraft). Ein dritter Punkt, der hinzukam, war der Befund, dass in der Forschung einige Aspekte hervorgehoben wurden, die in meiner Arbeit unbehandelt blieben oder vernachlässigt worden waren. Das Textinterne stand bei mir im Mittelpunkt und das führte dazu, dass manche Aspekte liegengeblieben sind. Es war nicht meine Absicht, “omnivalent” zu sein, das lässt der beschränkte Umfang dieser Arbeit nicht zu, sondern nur manches zu erhellen. Auch hatte ich in erster Linie vor, nach meinen eigenen Ansichten zu arbeiten und die einschlägige Literatur zu ignorieren. Auf diese Weise war ich sicher, meine Originalität bewahren zu können. Natürlich muss man gewisse literaturwissenschaftliche Regeln betrachten, aber sie standen nicht an erster Stelle. Für mich war es als Herausforderung wichtig, dass der Text im Mittelpunkt stand, um so zu einer Deutung im direkten “Leser”-“Text”-Kontakt zu gelangen, deren Ergebnisse auch für andere Leser ersichtlich und überzeugend sind. Eine Abschlussarbeit soll auch Neues aufweisen, statt schon Erforschtes zu wiederholen. Sie soll anregend sein. Am Ende war es schön, zu sehen, wie in der Sekundärliteratur meine Vermutung Die Versuchung der stillen Veronika habe eine Vorgeschichte bestätigt wurde. Die Behandlung der verschiedenen Fassungen war sehr erläuternd. Aus der Forschung bekam ich gutes “Feedback”, vor allem von Hans Geulen. Außerdem kam er mit ergänzenden Ansichten, die meine eigene Interpretation nur noch unterstützten. Nanda Fischer erörterte die Gattungsfrage, der ich in meiner Untersuchung keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Die Klassifizierung brachte auch andere Aspekte. Anhand der Sekundärliteratur war es mir möglich, ein breites Spektrum zu bieten, das die Ergebnisse vervollständigte.

 

Zum Schluss möchte ich Frau Dr. Jattie Enklaar für ihre Unterstützung und die ständige Begleitung herzlich danken.

 

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